Wenn man Kriminalromane liest, stolpert man zwangsläufig über Sir Arthur Conan Doyles Figur “Sherlock Holmes”. Und wenn man diese Geschichten kennt, kennt man im Grunde alle folgenden Kriminalromane. Wer auch immer meint, der Gärtner oder der Butler ist der Mörder, sowie es allgemein im Genre heißt – sie sind es im seltensten Falle. Natürlich ist es immer die Figur, mit der man am wenigsten rechnet, weil dass die Spannung so schön hoch treibt. Und damit ist es genau die Figur, die man im vornherein schon fest bestimmen kann.
Und damit steht die Figur von vornherein fest. Wer ein wenig sich mit den Krimis beschäftigt, auch mit Thrillern, kommt dem Mörder ziemlich schnell auf die Spur. Wenn es überhaupt einen Mörder gibt. Wenig bekannt ist die Sherlock Holmes – Geschichte “Der Baumeister von Norfolk”, in der ein Mord nur vorgetäuscht wird. Und doch wird diese Geschichte in etwa so oft wiederholt, das man es kaum noch zählen kann.
Gleiches gilt selbstbrummelnd für Filme und Serien. Das Ende ist grundsätzlich vorhersehbar, weil es immer genau das Ende ist, was die Menschen sehen wollen. Nur der Weg, der zum Ziel führt, ist die Spannung, die ein Film verleihen kann. Der/das Gute gewinnt schließlich immer. Wann gibt es endlich mal einen Film mit einem bösen Ende? Mit einem Ende, das nicht vorhersehbar ist? Eine Überraschung zum Schluss? Wann bekommt der Held mal nicht seine Angebetete? Wann triumphiert das Böse über das Gute? Natürlich nur medial gesehen, es wäre zumindest eine Abwechslung. Ein Patt ist zur Abwechslung eben auch etwas anderes.
Das deckt sich aber nicht mit der grundsätzlichen Auffassung der Menschheit, das ist eben genau das Problem. Es muss alles gut werden. Doch was ist gut? Gut und Böse sind doch nur verschiedene Sichtweisen. Wer entscheidet, wer Gut, wer Böse ist? Letztlich sind es doch nur religiöse Dogmen, die dieses entscheiden. Wir sind nicht von uns heraus so geworden, wie wir geworden sind. 2000 Jahre Christentum, 1600 Jahre Islam – die prägen. Da können die Menschen noch so laut brüllen, dass sie Atheisten oder Agnostiker sind, die Lehren des Buches der Bücher haben geprägt. Und genauso müssen die Geschichten enden, wie wir vom Glauben, ob bewusst oder unbewusst, geprägt wurden.
Liebe muss immer dabei sein, die menschlichen Abgründe, dogmatisiert als Hass und Neid, und vor allem Menschlichkeit. Das gute Miteinander, die Hilfe für Andere, die Selbstaufopferung – das sind immer und immer wieder die gleichen Themen, in den Geschichten unserer Zeit. Nein, nicht nur aus unserer Zeit. Die Dogmen gibt es schon länger. Und dennoch lassen wir uns von unseren Instinkten treiben, vom Bauchgefühl, ganz im Widerspruch zu den Lehren, die gelehrt wurden.
Der Lauf der Geschichten ist im Grunde der Gleiche. Bisher traut sich kein Schriftsteller, kein Autor vom standardisierten Pfad abzuweichen – oder ich habe keinen dergleichen schon entdeckt. Denn am Ende siegen immer noch Liebe und/oder das Gute. Von Stephen King einmal abgesehen, der oft auch gern einmal ein Ende offen ließ in seinen Geschichten. Aber das bleibt eher ein seltener Fall. Und doch waren das genau die Geschichten, über die am längsten gegrübelt wurde.
Nein, der Standard muss gewahrt bleiben, der Standard, den die Konsumenten der medialen Ergüsse erwarten. Der Standard, der Gewohnheit ist.
Mal wieder ein sehr anregendes Posting, Dark Lord, das mich zu einer Replik veranlasst.
Zitat: “Gut und Böse sind doch nur verschiedene Sichtweisen. Wer entscheidet, wer Gut, wer Böse ist? Letztlich sind es doch nur religiöse Dogmen, die dieses entscheiden.”
Hmm, die religiösen Prägungen werden überschätzt, denke ich.
Ich bin davon überzeugt, dass ethisches Verhalten nicht in erster Linie durch religiöse Dogmen bestimmt wird.
Das führt zugegeben auch weit in philosophische Gefilde, nur als Beispiel:
Rosseau war z. B. der Meinung, das jeder Mensch von Geburt an, also von Natur aus erstmal gut ist und nur durch die Einflüsse der Zivilisation, d.h. Gesellschaft und Kultur quasi “verdorben” wird.
Kant sprach hingegen von einem unverrückbaren moralischen Gesetz, das jedem Menschen innewohnt und ihn durch sein “Menschsein” gleichsam verpflichtet, gut zu sein. Moralisches Verhalten sollte nur bedeuten, den Willen zum Gutsein zu haben (auch wenn das Ergebnis der Handlung “schlecht” sein kann).
Heut weiß man, dass sich z. B. auch Primaten moralisch verhalten können; ja, selbst Affen können sich in andere Affen hineinversetzen, Mitgefühl zeigen – weil es dem Einzelnen und der Gruppe nützt, verhalten wir uns moralisch.
Insgesamt sind es gesellschaftliche Notwendigkeiten, aber die Fähigkeit zur Moralität ist wohl angeboren, denke ich.
Richard D. Precht schrieb mal von einem Fall, wo einem Eisenbahn- oder Minenarbeiter eine Eisenstange durch den Kopf gebohrt wurde, und der zuvor brave Mann daraufhin zum Betrüger und Verbrecher wurde, da eben eine bestimmte Gehirnregion verletzt worden war und er seinen Sinn für den moralischen Kompass (Richtig-Falsch) komplett verloren hatte, woraus man den Schluss ziehen könnte, dass moralisches Empfinden physisch im Gehirn verankert ist.
Daher denke ich, dass die Fähigkeit zum moralisches Denken/Verhalten nicht in Religionen wurzelt, sondern umgekehrt die Religionen diese moralischen “Urfähigkeiten” als Basis nutzen…
Mein Ansatz geht in die Richtung, dass unsere gesamte Kultur seit 2000 Jahren durch das Christentum in irgendeiner Art und Weise geprägt wurde. Definitiv, das lässt sich nicht leugnen. Ob nun ein Rosseau anno 17Hhundertirgendwas dann mal was von sich gab, ist in der Hinsicht schon völlig egal. Oder?
Die Kultur schon, aber der Sinn für “Gut und Böse” ist nicht durch das Christentum geprägt, sondern älter, urwüchsiger, evolutionär bedingt…
Gut und Böse sind eben nicht nur verschiedene Sichtweisen, die ich einfach mal interpretieren kann…
Ach ich denke schon, dass da die Religion viel rumgepfuscht hat. Und evolutionär waren es mehr die Instinkte, die geleitet haben sowie der, nennen wir es mal gesunde Menschenverstand, der die Menschen vorm Amok-Lauf abgehalten hat …
Korrektur: Es muss heißen “Rousseau” und im letzten Satz: “Fähigkeit zum moralischen Denken”