Der deutsche Staat… Nein, halt, wir fangen nochmal an. Die EU ist sich ja nie zu schade, ständig neue Richtlinien zu erlassen, die den Verbraucher vor sich selbst schützen sollen. Seit einigen Jahren gibt es die Kennzeichnungspflicht kennzeichnungspflichtiger Zusatzstoffe in Lebensmitteln (gemeint ist die berühmt/berüchtigte E-Liste mit den besten Vitaminen aus B, A, S und F), diese wird nun vervollständigt mit der Kennzeichnungspflicht allergener Inhaltsstoffe. Doch auch hier kann man sich wieder kontrovers darüber streiten, ob es Sinn macht oder nicht.
Es ist ungefähr so sinnvoll wie die Angabe gesundheitsschädlicher Stoffe auf Zigaretten-Packungen. “Rauchen kann tödlich sein” prangt schon überdimensional darauf, die Liste der schädlichen Stoffe hält aber einen eingefleischten Raucher nicht wirklich davon ab, weiter das leckere Nervengift zu konsumieren. Ist klar, es ist zwischen Giften und Allergenen ein sehr weit hergeholter Vergleich, dennoch weiß aber jemand (zumindest sollte er es wissen), welche Dinge er essen darf und welche nicht. Im Zweifelsfall erkundigt man sich. Gut, für die Allergiker und Intoleranten (körperliche Verträglichkeit) ist es einfacher, wenn Produkte gleich komplett gekennzeichnet werden, doch ist es ein nicht unerheblicher bürokratischer Aufwand, der deswegen nun betrieben werden muss.
Auf geschlossenen Verpackungen ist die Kennzeichnungspflicht bisher schon gang und gäbe, dies wird nun ab 13. Dezember 2014 auf unverpackte Ware ausgeweitet und betrifft nun vor allem Bäcker, Fleischer, Restaurants und Kantinen. Während hier bisher nur kennzeichnungspflichtige Zusatzstoffe wie zum Beispiel Glutamat ausgewiesen werden müssen, wird nun noch die lange Liste der möglichen Allergene beigefügt.
Doch bei weitem nicht genug damit. Denn nun müssen sämtliche Produktionsverfahren in der Küche überdacht werden, um sogenannte Kreuz-Kontaminationen zu vermeiden. Nach einer Kartoffel kann keine Möhre mehr geschnitten werden – als Beispiel, sondern erst komplett alles gereinigt werde. Das potenziert die ohnehin schon übertriebene Reinigung in der Küche (ein OP-Raum wäre nun langsam angebracht als Kücheneinrichtung) extrem. Inwieweit sich die freie Gastronomie (private Restaurants, Imbißbuden …) an die neuen Vorgaben hält, wenn sie »alte« Vorgaben schon nicht richtig schaffen, weil in einem Ein-Mann-Betrieb zusätzlich zur Produktion nun auch ein erheblicher Mehraufwand verwaltungstechnischer Natur kommt – daran mag man nicht denken. Und, es wäre noch anzumerken, dass ein Gericht, komplett ohne Allergene, nur in sehr wenigen Fällen möglich ist, da diese Stoffe in fast allen Lebensmitteln, die in unserer europäischen Küche Standard sind, vorkommen. Ein einfaches, urdeutsches (Achtung, Ironie) Gericht auf dem Speiseplan korrekt nach deutschen Vorgaben aufgeschlüsselt, siehe hier:
Spaghetti “Bolognese Art” mit tomatisiertem Rinderhackfleisch, und geriebenen Parmesan
(enthält: Rinderhack, Knoblauch
Allergene: Gluten und Ei [Spaghetti], biogene Amine [Tomaten], Milch [Käse], kann Spuren von Sellerie, Sulfite und Soja enthalten; keine kennzeichnungspflichtigen Zusatzstoffe)
Mal ehrlich, wer bekommt bei solchen Angaben noch Appetit auf das Essen? Und, die Angaben sind nur mal schnell nebenbei nach der Liste der Allergene aus dem Kopf zusammen geschustert, eine genauere Bearbeitung würde garantiert noch mehr zu Tage fördern. Die von der EU als kennzeichnungspflichtig bestimmten Allergene sind:
- Glutenhaltiges Getreide (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Dinkel)
- Krebstiere
- Eier
- Fisch
- Erdnüsse
- Soja
- Milch und Milchprodukte
- Schalenfrüchte (Nüsse)
- Sellerie
- Sesamsamen
- Schwefeldioxid und Sulfite
- Lupinen
- Weichtiere
Was kommt als Nächstes? Muss man sich zukünftig durch Listen von Nährwertangaben (für Fettleibige), Zusatzstoffen, Allergenen und und und wühlen in den Speisekarten, um jemals sich für ein Gericht entscheiden zu können? Ist es nicht so, dass durch solche Richtlinien der Mensch derart bevormundet wird, dass er sich überhaupt um nichts mehr kümmern muss, nicht nachdenken oder vergleichen? Und was haben die Nicht-Allergiker davon? Nur noch mehr und mehr Angaben, die nicht interessieren. Eher einen fahlen Beigeschmack hinterlassen, sich durch Listen von Angaben zu wühlen, um wahrscheinlich im Kleingedruckten demnächst dann das Menü zu lesen? Vielleicht sollte noch ein Gefahrenhinweis her: Dieses Gericht kann süchtig machen! Oder: Der Verzehr dieser Speisen führt zur Fettleibigkeit! Also mal ehrlich, Vorschriften können auch irgendwann übertrieben wirken, oder?
Vielleicht wäre noch ein Hinweis sinnvoll auf die Herkunft und Bezeichnung des Gerichtes, damit sich die “Erfinder” (die Stadt Bologne in Italien zum Beispiel für die Bolognese) eines Gerichtes nicht übergangen fühlen und die eindeutige Zuordnung regional möglich ist? Apropos regional – vielleicht noch der gesetzlich verordnete Hinweis, welches Produkt, welcher Inhalt eines Essens aus welcher Region kommt? Vielleicht noch die Produktions(Chargen-)nummer des Hackfleisches? Als Profi in der Küche ist man von den ganzen Verordnungen und Vorschriften langsam überfordert. Aus der Speisenplanung wird ein Marathon durch Gesetzesvorgaben, eine bürokratische Hürde, die mehr Zeit erfordert als die eigentliche Zubereitung …
Quellen:
Lebensmittelklarheit
Station Ernährung
Chefkochs Küchentagebuch – Spaghetti Bolognese
Diese Kennzeichnungswut ist doch nicht mehr feierlich. Mit solchen Dingen erreicht man doch das genaue Gegenteil: Solche Hinweise überliest man doch irgendwann eh, wenn sie einem ständig aufs Auge gedrückt werden. So wie halt auch “Rauchen gefährdet die Gesundheit”, “CDU wählen gefährdet mein Demokratieverständnis” usw. Irgendwann kommt sicher noch: “Herdplatten werden beim Einschalten heiß.”, “RTL gefährdet ihren Geiteszustand”, “BILD lenkt von wichtigen Themen ab” oder sowas.
Mir geht es beruflich um den bürokratischen Aufwand, von mir aus kann drauf stehen was will. Ich verbringe jetzt schon einige Stunden pro Woche für die normalen Zusatzstoffe, mit den Allergenen wird sich das potenzieren. Aber ja, so gesehen bin ich voll deiner meinung