Schubladen …

Es ist der Menschen Sinn, sich immer den gleich denkenden und agierenden Menschen anzuschließen. Gleich und Gleich gesellt sich gern. Doch schotten sich die Menschen nicht darüber gegenseitig ab? Das ist die Frage, die heute uns beschäftigen wird.

Schubladen – Denken

Wir Menschen sortieren gerne. Nach Religion, nach politischer Gesinnung, nach Szene, Musikgeschmack, Lifestyle und und und. Und je nachdem, in welcher Schublade wir uns wiederfinden, agieren wir in den Kreisen der Schublade. Linke Socke bleibt linke Socke und agiert und reagiert am liebsten halt nur mit – linken Socken. Ein Schal ist Schal und bleibt Schal und wird immer in der Schublade der winterlichen Stücke landen. Und genauso wie mit der Kleidung verhält es sich im tragenden Pendant dazu. Wer auf Lifestyle steht und diesen bis zur Vergasung zelebriert, wird sich immer mit Leuten umgeben, die eben auch in diese Schublade passen.
Wenn etwas nicht kategorisiert werden kann, fühlen sich die Menschen unwohl, damit können Sie nicht umgehen. Wenn etwas nicht in eine Schublade passt, wird eine neue Kommode gebaut mit neuen Schubladen, nur damit die passende Umgebung, die Sortierbarkeit wieder hergestellt ist. Es gibt keinen Menschen, für den nicht eine Schublade erfunden wurde, der nirgends hineinpasst. Notfalls wird er hineingepresst, ob es passt, oder auch nicht. So findet sich der Eine oder Andere oft in einer Gasse, einer Einbahnstraße, in der er gegen den Strom läuft.

So wenig, wie die Sachen in den einzelnen Schubladen untereinander sich vermischen, so wenig verschmischen sich auch die wegsortierten Menschen. Gut, der engere Freundes- und auch Familienkreis wird davon meist ausgeschlossen. Doch auch hier werden Abstriche gemacht. Ich mag die Einstellung nicht, also reagiere ich mit Dir nur, sofern es notwendig ist. Merkste wad?

So wird in seiner Umgebung vom Menschen alles ausgeblendet, was nicht in das persönliche Bild passt, nicht in die eigene Kategorie. Doch nicht nur ausgeblendet, sondern auch müde belächelt. Der Fall ist dann schon eingetreten, wenn ein gut verdienender Mittelständler die Punks müde belächelt, die sich auf Boden räkeln und ihre Weltanschauung leben. Oder der Lifestyle-Enthusiast den Gothic geringschätzig betrachtet, weil er mit der Art der Kleidung und der Lebenseinstellung nichts anfangen kann. Kleine Anekdote dazu:

Eine kleine Gruppe von Grufties (Gothics) versammelt sich am Eingang eines größeren Bahnhofes, um zu ihrem – auf neudeutsch genannten Event – gemeinsam zu gehen. Doch vorher werden sie von einer älteren Dame angesprochen, die sich wundert, wie man sich nur in komplett schwarz kleiden kann. Völliges Unverständnis von der Dame für eine alternative Lebenseinstellung, was sie auch so kommentiert. Und sich absolut nicht erklären lassen kann, geschweige denn begreifen, dass nicht jeder in der herkömmlichen Mode sich wohl fühlt, noch die herkömmliche “bunte” Lebensweise in ihrer Oberflächlichkeit zu leben mag. Nach einiger Zeit trollt sich besagte Dame kopfschüttelnd – während ihr Innerstes völlig aufgewühlt und ihr Weltbild zerstört – um wahrscheinlich dieses kleine Intermezzo in ihrer Kaffeerunde zu erörtern und ihr Missfallen daran zu bekunden – wie sie es bereits vor den Grufties tat.

Unverständnis über andere Lebenseinstellungen ist das, was die Menschen antreibt, ihren eigenen Glauben, ihre eigene Lebenseinstellung schon Anderen aufzwingen zu wollen. Das bekannteste Beispiel dafür dürfte die gewaltsame Missionierung durch die christlichen Prediger sein, die allen Glauben jenseits ihres eigenen verteufeln, abwerten und sogar verfolgen.

Doch auch schon die Eltern, die ihre Lebensweise den eigenen Kindern aufdrängen und mit Unverständnis reagieren, wenn sich der Nachwuchs in eine völlig andere Richtung entwickelt als es von den Erzeugern angestrebt wurde. Gewiss, das Kind soll es einmal gut haben. Doch was für das Kind, den späteren erwachsenden Menschen gut ist, muss dieser schon für sich selbst entscheiden. Toleranz wird groß gepredigt, doch nie wirklich gelebt. Und zwar von allen Schubladen, denn jede dünkt für sich, die Bessere zu sein. Das ist, war und wird immer so sein – des Menschen eigener Starrsinn, Eigensinn.

Schublade - leer

Schublade – leer

So wird sich auch eine vollständige Integration niemals wirklich bewerkstelligen lassen. Die Lebensart, in der man aufgewachsen ist, in der die Familie lebt – die prägt. Russen werden unter sich immer nur in Russisch kommunizieren, egal, in welchem Land sie leben. Sie werden ihren Tee fast immer aus dem Samowar trinken – eben weil es Bestandteil ihrer Kultur ist. Sie werden kleine Stücke der Umgebung, in der sie leben, implementieren, assimilieren – doch niemals vollständig sich integrieren. Um es nur als Beispiel zu nennen.

Nein, der Mensch wird niemals über seinen eigenen Schatten springen und den Inhalt anderer Schubladen anerkennen. Dafür ist das Ego meist zu groß und der Unsinn namens Eigensinn viel zu starr. Er wird maximal die Schublade wechseln, je nach Lebensumständen. Schubladen, Kategorien, das ist es, was der Mensch braucht, um sich selbst zu identifizieren. Ohne sich selbst je wirklich zu kennen. Oder Anderes anzuerkennen. So sind wir Menschen eben.

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10 Responses to Schubladen …

  1. KiSa sagt:

    Ja, der Mensch denkt in Schubladen. JEDER Mensch denkt in Schubladen. Das hat aber nichts mit dem Ego oder Eigensinn zu tun, sondern einfach mit dem Aufbau unseres Gehirns, das anders nicht arbeiten kann. Du und ich haben vielleicht andere Schubladen als unsere Eltern oder ganz andere Kulturkreise, aber jeder hat sie. Aber auch wir ach so toleranten haben Schubladen wie “Rassist”, “Sexist” oder “verbohrte alte Dame”. Das muss nicht immer negativ sein, z.B. sind mir Menschen mit bunten Haaren auf Anhieb sympathischer :)
    Aber es kann auch immer wieder sinnvoll sein, über die eigenen Schubladen nachzudenken. Man kann sie zwar nicht komplett abbauen, aber man kann sie durch bewusstes Hinterfragen etwas beeinflussen.

  2. Maxx sagt:

    Gutes Thema, Dark Lord, über das es sich lohnt, zu sinnieren… Da haben wir ja ganz ähnliche Gedanken gehabt. Kurioserweise kam mir ja grad gestern eine ähnliche Frage in den Sinn, auch weil ich persönlich diese Einordnung auch immer als so einengend und auch ungerecht empfunden habe und sie daher bewusst zu vermeiden suche. Dass mir manche Menschen sympathischer sind als andere, ändert ja nichts dran, dass ich den Unsympathen (oder auch politischen Gegner) trotzdem für seine Fähigkeiten und Leistungen schätze und respektiere bzw. seine positiven charakterlichen Eigenschaften. Trotzdem hab ich naturgemäß auch eigene Interessen, die ich nicht negieren darf und für die ich eintreten werde.
    Es stimmt schon, der eine Aspekt ist der menschliche, der uns innewohnende Drang nach Einordnung und Kategorisierung aller Dinge, da ja auch das Gehirn mit einem Chaos tendenziell überfordert ist und danach strebt, sich diese Kategorien/Schubladen zu schaffen…
    Das andere sind natürlich die vorgeprägten, uns anerzogenen scheuklappenmäßigen Gedankenwege, die uns daran gewöhnt haben, die Menschen dementsprechend zu bewerten…
    Bei der Integrationsfrage seh ich es nicht ganz so absolut… Denke schon, dass es möglich ist, sich zu integrieren und zu assimilieren, ohne jetzt seine Identität aufgeben zu müssen. Kulturelle/sprachliche Eigenheiten gehören dann eben zur deutschen Persönlichkeit.
    Ich habe ja selbst mal ein Jahr in Russland und auch ein Jahr in England gelebt und mich dort wohlgefühlt, daher denk ich schon, dass man in fremden Kulturen aufgehen kann, ohne sich zu verlieren… Ich kenn auch Russen hier, die ich als voll integriert ansehen würde. Da würde man deren Herkunft teilweise gar nicht erkennen. Wobei Integration natürlich eine Definitionsfrage sein kann. Und auch wichtig: Es muss natürlich passen, die beiden Kulturen müssen kompatibel sein, und klar, der zu Integrierende darf sich nicht dagegen wehren – sonst macht es ja auch keinen Sinn, in einem Land zu leben, wo man sich nicht einfügen will. Sorry für das lange Geschwafel…

    • Dark Lord sagt:

      Ich habe keine Sympathie oder Antipathie – ich hasse alle Menschen gleich, niemand wird bevormundet oder benachteiligt ;)

      Was die Integration angeht – auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. Gewiss gibt es den einen oder anderen, bei dem es mehr oder weniger gelingt. Doch der Großteil schottet sich ab. Bleiben wir beim Beispiel Russen: Der Großteil wohnt in einer Gegend, zusammen, fast als Art Ghetto. Nicht einmal wegen des Ghettos an sich, doch weil man lieber ein paar “Gleichgesinnte” in der näheren Umgebung hat. In Hamburg gibt es nicht umsonst einen Stadtteil, der umgangssprachlich Klein-Istanbul heißt, eben weil hier sich die meisten Türken zusammenrotten. Bewusst oder unbewusst, finanziell oder organisatorisch gesehen, sei einmal dahin gestellt. Die Besserverdienenden suchen auch die besseren Wohngegenden auf, doch eine Gettoisierung kann man nicht in Abrede stellen.

      • Maxx sagt:

        Ja, das stell ich ja auch nicht in Abrede. Aber die Ghettobildung liegt m.E. auch daran, dass Fragen der Aufnahmefähigkeit missachtet werden. Und in ein urban geprägtes Land wie Deutschland mit einer sehr hohen, wohl der zweithöchsten Bevölkerungsdichte in Europa (vgl. mit Kanada oder USA) kannst du nicht unbegrenzt viele Leute wahllos reinstopfen und dann erwarten, dass die sich schön verteilen und durchmischen. Die Sippen und Clans werden sich immer in einigen Großstädten zusammenballen und konzentrieren…
        Dies verhindert natürlich auch Integration…
        Dann gibt es ja auch die These, dass westliche Wohlfahrtsstaaten grundsätzlich zur Integration unfähig sind, also wegen der falschen finanziellen Anreize (und hier auch einer nicht verlangten Loyalität zum Aufnahmeland) gar keine integrative Kraft entfalten können (vgl. Milton Friedman) – aber führt jetzt alles zu weit weg.

  3. Maxx sagt:

    Also meine Gedanken sind hier nur zu Ergänzung gedacht, es ist keine Kritik…

  4. Schakal sagt:

    Schubladen sind was schönes. Da sind wir alle nicht frei von. So haben auch bei mir Angehörige bestimmter Schubladen schon mal einen gewissen Stempel auf der Stirn. Ich versuche stets, wenn man mir freundlich gegenübertritt, dies auch zu erwidern. Da ist mir die Schublade recht egal. Die meisten schaffen es jedoch recht schnell, typische Schubladenklischees zu erfüllen.

    Wobei es aber auch seltene Ausnahmen gibt: So habe ich seit nunmehr 10 Jahren einen recht guten Bekannten, dessen politische Ausrichtung eher als “gemäßigt rechts” einordnen lässt. Wir haben es in den Jahren aufgrund anderer gemeinsamen Interessen und einer gewissen Sympatie füreinander jedoch gelernt, die komplett konträren Ansichten des Anderen bei bestimmten Dingen zumindest mal sich anzuhören. Wir wissen beide, dass wir bei manchen Dingen niemals einer Meinung sein werden. Dennoch haben wir es geschafft, uns gegenseitig zu respektieren. Persönlich werden wir da nie.

    Auch die Gefahr der zunehmden Isolation, Ghettoisierung und im schlimmsten Fall auch Extremisierung der verschiedenen Kulturen und Glaubensdienern sehe ich durchaus. Auch hier wurde gerade auf politischer Ebene vieles verschlafen. “Kommt her, arbeitet, aber bleibt unter euch und lernt bloß unsere Sprache nicht” ist das, was ich von vielen Arbeitskollegen mit “Migrationshintergrund” gehört habe, deren Eltern quasi so ins Land geholt werden. Dabei ist Sprache in meinen Augen der einzige Schlüssel, sich in einem Land willkommen und in gewisser Weise auch zu Hause zu fühlen.